Jäger und Sammler

Jäger und Sammler

Angefangen hat es in der Schule. 1957 oder 1958. Von einer Reise aus der Ostzone kam ich mit den Eltern zurück. Ein Bekannter meines Onkels in Hohenwarthe an der Elbe hatte mir Briefmarken geschenkt. Zum Sammeln, wie er mit ernstem Unterton anmerkte. Er hatte ein Holzbein und bügelte seine Hemden selbst.

Er sagte zu mir, dass die kleine Briefmarkenserie von Generalfeldmarschall Hindenburg, mit Trauerrand, das wertvollste sei, was es gäbe. Nur die Blaue Mauritius sei noch teurer. Die Briefmarken, die ich von ihm geschenkt bekam, schienen sehr wertvoll zu sein.

Briefmarkensammlung – vom Winde verweht

So nahm das Sammeln seinen Lauf. Ich bewahrte sie in einer Blechdose auf. In der Pause, auf dem Schulhof, fing ich an zu tauschen. Es mussten noch mehr Marken mit Trauerrand her, von wem war egal. Leider beendete ein kräftiger Windstoß abrupt mein Vorhaben. Ich sehe es noch wie heute: fünfzig oder sechzig Briefmarken – vom Winde verweht. Die Trauerphase hielt nicht lange an. Später habe ich mit dem Sammeln erneut angefangen. Mit richtigem Album. Alle Länder die ich kriegen konnte. Je bunter, desto besser. Briefmarken sammeln war das Größte.

Als Anfang der 60er die Pop-Musik in meinen Ohren Einzug hielt, fing das mit den Platten an. Immer, wenn Beatgruppen eine neue Platte auf den Markt brachten, fuhr ich in die Stadt. Radio Weinmann hatte alles vorrätig. Manchmal konnte ich mich an den Titel nicht erinnern, den ich abends zuvor auf Radio Luxemburg hörte. Der Empfang auf Radio Luxemburg ähnelt den Ansagen der Bahn. Die Anfänge des Scratching. Also sang ich das, was ich mir noch gemerkt hatte, der Inhaberin, Frau Weinmann, vor. Sie kannte alles, obwohl sie schon eine Dame um die Sechzig war.

Die Module spielen verrückt

Als etwas mehr Geld zur Verfügung stand, brauchte ich natürlich dringend Langspielplatten. Und so läpperte es sich im Laufe der Jahre zusammen. Rund 250 LPs und 250 Singles lagerten zu Hause. Um den Genuss zu erhöhen, musste neue Technik her. Plattenspieler, Boxen, Verstärker etc. Leider gehörte das Zusammenkaufen verschiedener Musikabspielmodule noch nie zu meinen Kernkompetenzen. Und so hörte ich immer ein feines Summen beim Abspielen.

Es hat mich verrückt gemacht. Wenn ich fuchsteufelswild werde, dann, wenn ein Summen im Hintergrund zu hören ist. Also habe ich fünfhundert Platten in den Kofferraum gepackt, bin auf die Autobahn gefahren und habe auf einem Parkplatz alles in einem Mülleimer versenkt. Es war wie ein Befreiungsschlag. Mein Freundeskreis erklärt mich noch heute für verrückt – zu recht.

Sammeln lassen

Ganz tief in mir muss etwas gewesen sein, das mir gesagt hat, dass ich so die Sammlerbühne nicht verlassen darf. Ich habe dann etwas gesucht, mit dem ich ein Sammler-Alleinstellungsmerkmal besitze.

Gefunden habe ich Telefonbücher aus dem Ausland. Und die ließ ich sammeln. Nicht ich selbst, sondern der ganze Freundeskreis wurde aktiviert und brachte von seinen Urlauben und Geschäftsreisen Telefonbücher für mich mit. Das war eine geniale Idee, fand ich. Auf rund achtzig Telefonbücher habe ich es gebracht. Von Yukon, Kanada, über Gelbe Seiten aus New York bis zu Peking war alles dabei. In Amsterdam habe ich aus einem Hotel selbst eins mitgehen lassen.

Sukzessive eroberten Handys den Markt. Peu à peu verschwanden die Telefonzellen und mit ihnen auch die Telefonbücher. Mit dem Sammeln habe ich einfach kein Glück. Vielleicht sollte ich es mit Jagen versuchen.                                                                                                                                                

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