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Es war der Höhepunkt des Jahres. Seit neun Jahren fuhren wir zusammen in den Sommerurlaub zum Wandern in die Berge. Natur pur. Mutter ließen wir zu Hause. Unser Ziel hieß stets Oberbayern. Berchtesgaden, um genau zu sein.
Mein Alter, mein Ego und ich
Wir fuhren zu dritt: Mein Alter, mein Ego und ich. Im Kreise meiner Kumpels nannte ich Vater etwas despektierlich gerne „meinen Alten“. Mein Ego ist drei Monate älter als ich. Die großen Ferien gehörten uns Männern. Einmal hatten wir Mutter dabei. Auf dem Grünstein, ein Berg zum Einlaufen, fragte Mutter, was wir denn hier wollen? Dabei waren wir gerade angekommen. Großartige Sicht. Das weibliche Geschlecht setzt offenbar andere Schwerpunkte.
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Ego, Vater und ich saßen wie immer Anfang des Jahres in der Küche, um den Urlaub zu planen. Vater hatte schon einige Wanderkarten auf dem Küchentisch ausgebreitet. Dieses Jahr nehmen wir uns als Highlight die „große Reibn“ vor, meinte er. Wir übernachten im Stahlhaus und gehen weiter über den Schneibstein zum Kahlersberg. Dann geht es weiter zum Funtensee. Im Kärlingerhaus wird geschlafen. Was meint ihr? Mit Ego hatte ich mich vorher schon besprochen. Wir wollten beide endlich mal etwas anderes sehen, nicht immer nur Berchtesgaden, Gipfelbücher und Leberkäse mit Kartoffelsalat.
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“Vater, begann ich, wir waren jetzt neunmal hintereinander in den Bergen, können wir dieses Jahr mal woanders hin?” Finde ich auch, pflichtete Ego mir bei, der allerdings keinen Plan hatte, wohin wir alternativ verreisen könnten.
Würzburg soll sehr schön sein
Vater stutzte, schaute Ego mit leicht verständnislosem Blick an und wandte sich dann zu mir. „Würze auch gerne mal was anderes machen?” Bevor er es sich überlegen konnte, kam es aus mir wie aus der Pistole geschossen heraus: “Ja, unbedingt. Würzburg soll sehr schön sein, habe ich gehört. Würzburg ist das Mekka der Gewürze in Mittel- und Nordeuropa. Wusstet ihr das eigentlich? Weil hier bereits im Mittelalter sehr viele Gewürze angebaut wurden, nannte man die Festung Marienberg. Festung Würzburg. Später wurde der Zusatz Festung fallengelassen.”
Maggi
Das berühmteste Gewürz der Stadt heißt Maggi. Die Vorläufer Würze wurde schon um 1000 v. Chr. von den Kelten angebaut. Die Zutaten, die für die Herstellung von Maggi benötigt werden, sind bis heute noch nicht restlos bekannt. Bis in die 80er Jahre hinein konnten nur Weizen und Liebstöckel wissenschaftlich nachgewiesen werden. Vater staunte nicht schlecht.
Paradieskörner und Tonkabohne
In einer jetzt veröffentlichten Studie konnten weitere Gewürze zugeordnet werden: Bärlauch, Basilikum, das als Hundegewürz bekannte Beifuß, Kresse, Engelwurz, Liebchenstöckel, Mauerpfeffer, das Kanzlergewürz, Eber-raute, Gänseblümchen, Würzpaste Rouille, Rucola, Tonkabohne, Zucker, Paradieskörner und Süßholz gehackt.
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Ich fuhr weiter fort. Die Fachhochschule Würzburg bietet Studiengänge für Oecotropholgie mit Schwerpunkt „Gewürzmischungen im Wandel der Zeiten“ an. In sechs Semestern werden die Studierenden zum Gewürz-Sommelier ausgebildet. Voraussetzungen für dieses Studium sind analytische Fähigkeiten, naturwissenschaft-liches Verständnis, flüssiger Abgang und ein sensorischer Unterbau.
Gewürz-Sommelier
Wenn wir nach Würzburg fahren, könnten wir uns in einem Schnupperkurs zum Gewürz-Sommelier ausbilden lassen, merkte ich an. Wusstet ihr eigentlich, dass 2008 bei Ausgrabungen im japanischen Garten in Würzburg die Ur-Maggiflasche entdeckt wurde? Sie weist nur zwei unterschiedliche Merkmale auf: a) es handelt sich um eine Flasche mit für die damaligen Haushaltsgrößen angepassten Inhalt von 1750 g und das heute bekannte, siegelrote Käppchen war in ultramarinblauer Farbe.
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Halt, halt, halt. Mein Bruder Ego schaltete sich auf einmal ein. Bislang hatte er noch gar nichts gesagt. Das finde ich unfair, sagte er mit leicht angesäuerter Miene. Du hast dich hier schon auf Würzburg vorbereitet. Und ich, was mache ich? Ich trotte neben dir her und lasse mir von dir die Würzburger Gewürze erklären. Darauf habe ich echt keinen Bock.
Berchtesgaden oder Würzburg
Ok, meinte Vater, dann stimmen wir jetzt demokratisch ab. Wer für Würzburg ist, hebt die linke Hand, wer für Berchtesgaden ist, hebt die rechte Hand. Wer ist für Berchtesgaden? Vater und Ego hoben die rechte Hand. Wer ist für Würzburg? Ich hob die linke Hand.
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Die Wanderkarte lag noch auf dem Küchentisch. Das Familienoberhaupt erhob die Stimme: Wir fahren mit der Jennerbahn hoch und übernachten im Stahlhaus. Am nächsten Morgen gehen wir über den Schneibstein und Kahlersberg bis zum Funtensee. Die zweite Übernachtung ist im Kärlingerhaus. Wie in den anderen Jahren verbringen wir unseren Urlaub in der Ferienwohnung von Aschauers in Schwöb.
Hilde
Zum Schluss der Planung rief Vater in Richtung Wohnzimmer: „Hilde, wir fahren im Sommer wieder nach Berchtesgaden.“
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