Allein von Januar bis März demonstrierten auf über 1.100 Veranstaltungen drei Millionen Teilnehmende gegen Rechtsextremismus. Mehr Demo war noch nie in Deutschland. Bundespräsident Steinmeier zeigte sich beeindruckt. Die demokratische Gesellschaft hat die Gleichgültigkeit vertrieben, sagte unser Staatsoberhaupt.
Flaute?
Allerdings flauen die Demos allmählich ab. Und was machen wir jetzt? Versuchen wir es doch mal sportlich. Mit etwas Fantasie kann man Demokratie mit Eiskunstlaufen vergleichen. Eiskunstlauf bestand früher aus zwei Teilen: Pflicht und Kür. Auf die Demokratie übertragen, gehören Demos gegen Rechts zur Kür. Bevor man beim Eiskunstlauf zur Kür antreten durfte, musste die Pflicht absolviert werden.
Pflicht – wählen gehen
Die Artisten auf den Kufen hatten geometrische Figuren genauestens ins Eis einzuritzen. Für Zuschauer war es langweilig. Im Fernsehen wurde der Pflichtteil gar nicht übertragen. 1991 schaffte man das Pflichtprogramm ganz ab.
Kür auf dem Eis
Die Kür auf Schlittschuhen hingegen wird individuell gelaufen und bewertet. Schwierigkeitsgrade, künstlerischer Ausdruck. Pirouetten, Todesspirale beim Paarlauf, Hebefiguren.
Kür auf der Straße
Und bei den Demos gegen Rechtspopulisten? Dem künstlerischen Wert verleiht man mit kreativen Plakaten Ausdruck. Omas gegen rechts, Opas auch, schöner leben ohne Nazis, Hass ist keine Meinung, Braun ist Scheiße, wir können was dafür, wenn wir nichts dagegen tun, mit Nazis geht man nicht spazieren. Um nur einige Beispiele zu nennen.
Ein starkes Zeichen
Mit Demonstrationen wird ein starkes Zeichen gesetzt. Sogar die AfD ist etwas zusammengezuckt. In den neuesten Umfragen liegt sie bei 18 Prozent. Ein Minus von 3 bis 4 Punkten. Wenigstens das. Damit ist die AfD allerdings immer noch zweitstärkste Partei. Kann man dagegen andemonstrieren? Reicht es, laut zu sein? Petitionen gegen Rassismus unterzeichnen? Alles gut, aber ist das nachhaltig?
Vielleicht sollte man nicht die These aufstellen, dass man die AfD halbieren kann. Hat sich mittlerweile eher als Rohrkrepierer erwiesen.
Einfach wählen gehen
Haben wir denn überhaupt keine Möglichkeit, mit dem wir die demokratischen Kräfte stärken und gleichzeitig die AfD schwächen können? Doch haben wir, kein Allheil-, aber ein altes Hausmittel. Es heißt: wählen gehen. Einfach wählen gehen. Kommunalwahl, Landtagswahl, Bundestag, Europawahl. Die Lizenz zum Wählen wird uns allen in die Wiege gelegt.
Heiko Giebler vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung sagte dazu gegenüber dem RND:
Grundsätzlich schwächt eine hohe Wahlbeteiligung extremistische Parteien. Das gilt auch für die AfD
14 Millionen Nichtwähler
In den 70er-Jahren empfanden wir es noch als Pflicht, uns auf den Weg ins Wahllokal zu begeben. Die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen lag bei über 90 Prozent. Und heute? 2021 waren zur Bundestagswahl 61 Millionen Menschen wahlberechtigt. Nur 76,6 Prozent gingen hin. Knapp ein Viertel blieb zu Hause. Vierzehn Millionen Nichtwähler.
Europawahl am 9. Juni
Am 9. Juni 2024 findet die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Weiter geht es im September in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Da könnten wir zeigen, dass wir das Wählen noch nicht verlernt haben. Machen wir es in unserer Demokratie wie früher beim Eislaufen. Zuerst die Pflicht im Wahllokal. Und wenn dann zur nächsten Demo gegen Rechts aufgerufen wird, sind wir auch dabei. Zuerst die Pflicht, dann die Kür.
Wahlhelfende verzweifelt gesucht
Wer sein Herz für die Demokratie entdeckt, kann sogar noch mehr tun. Die Medien berichten, dass immer noch sehr, sehr viele Wahlhelfende für die Europawahl am 9. Juni fehlen. Warum nicht mal ein kleines Ehrenamt übernehmen. Es gibt sogar ein sogenanntes „Erfrischungsgeld“, für den Einsatz.
Wir sind bunt
Bei Demos wird auf Plakaten stolz darüber Auskunft gegeben, dass wir bunt sind und nicht kackbraun. Super. Wie bunt genau können wir bei der EU-Wahl auf dem Wahlzettel sehen. Es stehen 35 Parteien zur Wahl. Da ist mit Sicherheit für jede und jeden etwas dabei. Briefwahl geht natürlich auch.
Einfach mal wählen gehen
Die AfD-Anhänger gehen mit Sicherheit zur Wahl. Das ist ihr eigenes Pflichtprogramm. Dieses Selbstverständnis sollte für uns Demokraten genauso Gültigkeit haben; denn jede Stimme, die zuhause bleibt, ist Mist.
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