Mobilität neu lenken

Mobilität

Montag, 4. Juni 2040. Im Schleswig-Holsteinischen Hohenwestedt macht sich Jan Petersen auf den Weg zur Arbeit. Neben seinem Job im Heimatmuseum verdient sich Jan in der Sommersaison auf einem Ferienhof in Heinkenborstel etwas dazu.

Es regnet. Deshalb will er die 8 Km trocken zurücklegen und steigt in seinen 3-Rad Kabinenroller. Er kann damit bis zu 45 Km/h fahren. Neben Rückfahrkamera, MP3-Player und USB-Anschluß verfügt sein moderner Leukoplastbomber über Sitzheizung, elektrischen Fensterheber und Alarmanlage.  Eine Akkuladung reicht für 70 Kilometer. Sein überdachtes Dreirad braucht nicht zum TÜV, ist von der Kfz-Steuer befreit und eine Anmeldung beim Straßenverkehrsamt ist nicht nötig.  Bei schönem Wetter nimmt Jan sein Segway und genießt unterwegs die Landschaft.

Schnee von gestern

Am Wochenende fahren er und seine Frau gerne ins 30 Km entfernte Rendsburg, natürlich mit dem Bus. Zurück geht es mit dem Anrufsammeltaxi (AST). So ist das überall in Schleswig-Holstein und dem Rest der Republik. Der private Autoverkehr ist passé. Diesel, Benziner, Hybridantriebe, SUVs, Formel 1 – Schnee von gestern. Aus und vorbei.

Allerhöchste Eisenbahn

Es war auch allerhöchste Eisenbahn. Die Umweltbelastungen waren unerträglich geworden. Allein der Luft-, Straßen- und Schiffsverkehr hatte einen Anteil von rund 24 Prozent an den gesamten CO₂-Emissionen. Schon 2016 wurden weltweit 36 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen, berichtete damals die Internationale Energieagentur (IEA).

Kirchturmdenken olympisch?

Alle Maßnahmen  waren nicht nur unausgegoren und dilettantisch, sondern erwiesen sich als echte Rohrkrepierer. Tempolimit, Fahrverbote, am CO₂-Ausstoß orientierte Besteuerung, Abwrackprämien, Quoten für Elektroautos, verpufften und versickerten in unserer digitalen vom Feinstaub überzuckerten Welt.

Bis 2022 gab es immer noch ein Sammelsurium an privaten und öffentlichen Mobilitätsformen. Allen voran der Öffentliche Personennahverkehr. Weil jedoch im Fernverkehr der Schienenpersonenverkehr eine Monopolstellung hatte, gab es bis 2013 überhaupt keine Fernbusse. Es war schlichtweg verboten. Erst seit der Novellierung des PBefG wurde Fernbusverkehr zugelassen.  Kirchturmdenken war drauf und dran, olympische Disziplin zu werden.

Paradigmenwechsel

Wenn der Globus überhaupt noch zu retten war, dann musste ein gänzlich neues Mobilitätskonzept her. Auf diesen Paradigmenwechsel wurde die Bevölkerung 10 Jahre lang,  von 2020 bis 2030 deutschlandweit vorbereitet. Nur wenn alle Länder mitmachten, konnte es funktionieren. In das Pariser Klimaschutzabkommen, mehrere Male nachgebessert, kehrten auch die USA zurück. Es wurde erneut ratifiziert und von allen Regierungen zum 1.1.2040 in Kraft gesetzt.

Herkulesaufgabe

Der öffentliche Nah- wie Fernverkehr musste staatlich gefördert und subventioniert werden, attraktiv und für alle bezahlbar bleiben. Eine Herkulesaufgabe, die sich letztendlich lohnte, weil sie schlichtweg das Überleben sichern sollte.

Schlüsselindustrien

Den bedeutenden Industriebranchen, wie Automobilindustrie und Maschinenbau, gab man 20 Jahre Zeit, sich auf das neue Mobilitätskonzept einzustellen, entsprechende Produkte zu entwickeln und erforderliche Fertigungsprozesse (Fließband) anzupassen.

Gewerblicher Autoverkehr

Gewerblicher Autoverkehr ist seit 2040 nur noch zur Erhaltung der Infrastruktur und lückenlosen Versorgung der Bevölkerung in Ballungsräumen, Städten und auf dem Land zugelassen.

Mobilität neu denken

Der öffentliche Personennahverkehr wurde radikal ausgebaut. Für Busse und Bahnen wurde ein nationales Konzept entwickelt. Private Anbieter erhielten zielgerichtete Kredite.

Es wurden zwei Ankergesellschaften gegründet, auf denen das neue Mobilitätskonzept fußte: Den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und den Öffentlichen Personenfernverkehr (ÖPFV). Aufgabenträger waren der Bund und Länder.

Um die Beförderungskapazitäten sicherzustellen, damit die Bevölkerung ohne Einschränkungen mobil bleibt, wurden private Unternehmen aufgefordert, entsprechende Mobilitätsprodukte für den Personenindividualverkehr zu entwickeln.

Hoverboard trifft Pedelec

Neben den öffentlichen Personen-Beförderungs-Angeboten wie Fahrradverleihsysteme, Anrufsammeltaxi (AST), Rufbus, Bürgerbus, Straßenbahnen, haben sich Fahrräder, E-Bike und Pedelecs, die schon heute bekannt sind, E-Scooter, Segways, Casterboard, Hoverboard, Tretbox, Yike Bike, Snakeboard, Krankenfahrstuhl, Rollator mit Kufen, Elektro Einrad oder der Dreirad-Kabinenroller, einen festen Platz in der Bevölkerung erobert. Aus San Franzisko konnte das Bolt M1, eine Mischung aus Elektromoped und Pedelec, nach Deutschland importiert werden. Die Japaner hatten ein elektrisches Rollbrett konzipiert, die Chinesen überrollen uns sowieso. Das Ende der Fahnenstange ist noch immer nicht erreicht.

Kobalt, Kupfer und Co.

Doch neue Ungemach droht. Die schöne E-Mobilität hat ihre Tücken. Was da alles in einem Elektrobus verbaut werden muss? Graphit, Nickel, Kobalt, Mangan, Lithium, Kupfer und Seltene Erden. Die exorbitant gestiegene Nachfrage hat den Weltmarkt aus den Fugen gehoben. Zudem wird das Zeug häufig in Ländern abgebaut, mit denen nicht unbedingt gut Kirschen essen ist.

Seltene Erden aus China

Kobalt liefert der Kongo. Ausgerechnet Kongo. 60 Prozent des Weltmarktes liefern die Kongolesen. China hat die Seltenen Erden. Jetzt wird schon das Ostchinesische Meer nach Seltenen Erden abgesucht. Kleiner Tipp: Mit den Chinesen sollten wir es uns nicht verscherzen, sonst schicken die uns ihre Seltenen Erden in homöopathischen Dosen.

Wenn der Trend zur E-Mobilität anhält, dann brauchen wir von der Seltenen Erde das Metall „Dysprosium“. Das Umweltbundesamt hat damals ausgerechnet, dass der Bedarf bis 2030 sechsmal höher ist, als zuletzt weltweit gefördert wurde. Wie soll das denn funktionieren?

Tempolimit für Segways

Gerade hat die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit den neuen Fragen zur Mobilität und den Ressourcen auseinandersetzt. Diskutiert wird, ob Fahrverbote für alle E-Bikes in Großstädten die mit den Buchstaben A-F beginnen, ausgesprochen werden sollen. Zunächst als Test. Auch eine Metallsteuer für Seltene Erden steht auf der Liste. Tempolimit für Kabinenroller und Segways, Abwrackprämien für Pedelecs, sind genauso im Gespräch wie eine Batterieladesteuer.

Gorch Fock

Die neue Bundesministerin für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI), Ursula von der Leyen, hat angekündigt,  den internen Fachgruppen externe Berater zur Seite zu stellen. Frau von der Leyen sitzt fester denn je im Sattel, seit sie das Segelschulschiff „Gorch Fock“ von Grund auf überholt hat. Weil die Sanierungskosten ein klein wenig aus dem Ruder liefen, wurde abgespeckt. Aktuell ist die Gorch Fock als Fahrgastschiff Teil der Weser-Flotte in der Öffentlichen Personenschifffahrt (ÖPSF).

Kölsche Grundgesetz

Oder sollten wir nicht lieber einen Leitsatz aus dem kölschen Grundgesetz anwenden: „Et hätt noch emmer joot jejange“ und uns beruhigen mit der Zugabe „Et kütt, wie et kütt“.

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