Die Dunkelziffer hat einen schlechten Ruf. Sie ist schwer zu greifen. Nie weiß sie etwas Genaues. Mal bleibt sie zweifelhaft, deutet an, ist unpräzise und vage, diffus, schattenhaft und unausgegoren. Wir haben es lieber sehr konkret, am besten mit drei Stellen hinterm Komma. Dabei ist uns die Dunkelziffer überaus wohlgesonnen. Wo unsere Datenlage schwammig wird, springt die Dunkelziffer ein, übernimmt die Drecksarbeit für uns. Grund genug, uns bei Ihr zu bedanken.
dark number
Erfunden hat die Dunkelziffer der japanische Jurist Shigema Oba, der 1908 in Erlangen seine Dissertation auf Deutsch verfasste. In dem Werk mit dem Titel „Unverbesserliche Verbrecher und ihre Behandlung“ schreibt Oba, dass „nur etwa 30 bis 50 Prozent der Verbrechen durch Strafe gesühnt werden.“ Der Statistiker nenne eine solche Ziffer von Vorkommnissen, welche nicht ans Licht kommen, sondern im Dunkeln bleiben, die Dunkelziffer (engl.: dark number). Genau genommen ist diese Übersetzung nicht korrekt, denn eine Ziffer bezeichnet das schriftliche Zeichen einer Zahl. Bei der Dunkelziffer handelt es sich aber um eine Zahl und nicht um eine Ziffer. Dennoch hat sich der Begriff Dunkelziffer im Sprachgebrauch längst durchgesetzt.
4 Stunden, 5 Minuten, 49 Sekunden
Häufig taucht die Dunkelziffer im Zusammenhang mit Verbrechen, aber auch im Gesundheits- oder Verkehrswesen auf. Nahezu unbekannt ist die Dunkelziffer im Sport. Selbst bei den größten Massenveranstaltungen, wie zum Beispiel Marathonläufen, ist konkretes Zahlenmaterial zu 100 Prozent noch Jahrzehnte später detailliert abrufbar. Ein Beispiel: 1987 kam ein x-beliebiger Marathonläufer als 11.297 ins Ziel. Seine Zeit: 4:05:49. Sein Name: Horst Engel. Sollte dieser Läufer versuchen, seine Zeit um eine Stunde nach unten zu frisieren, fiele das sofort auf und sein Ruf wäre auf ewig ruiniert. Die Dunkelziffer ist also im Sport total deplatziert.
Im Lottertal
Hoch angesehen ist die Dunkelziffer in der katholischen Kirche mit ihren Missbrauchsskandalen. Hier findet die Dunkelziffer alles, was sie braucht. Geheimhaltung, Verschleierung, Unklares. Konkrete Daten werden nur unter großen Schmerzen zur Verfügung gestellt. In der katholischen Kirche fühlt sich die Dunkelziffer heimisch. Seit vielen Jahren hat sie ein Dauer-Abo. Die Dunkelziffer genießt in der katholischen Kirche Beamtenstatus – sie ist unkündbar. Es wird gemunkelt, dass seine Eminenz, Kardinal Woelki, ein enges Verhältnis zur Dunkelziffer unterhält. Sie sollen bei gemeinsamen Wanderungen im Lottertal gesehen worden sein.
Ratlose Dunkelziffer
Selbst in Fitnessstudios ist die Dunkelziffer präsent. Man weiß nichts Genaues über Mitglieder, die zwar angemeldet sind, aber ihre Mitgliedschaft ruhen lassen. Hier ist sogar die Dunkelziffer ratlos: Soll sie hoch rangehen, oder niedrig bleiben?
Universell einsetzbar
Die Dunkelziffer scheut das Rampenlicht, wie der Teufel das Weihwasser. Sie arbeitet absolut zuverlässig und geht ihrem Job auch bei widrigsten Witterungsverhältnissen nach. Sie ist universell einsetzbar. Lässt sich nicht festnageln und ist sich für nichts zu schade.
Warum wollen wir manchmal gar nicht wissen, wie hoch eine Dunkelziffer ist? Bei der aktuellen Pandemie sind die offiziellen Zahlen schon besorgniserregend genug. Mehr wollen wir gar nicht wissen.
landflirt.de
Die Partnervermittlung landflirt.de orakelte bereits 2005, dass 70 Prozent aller Landwirte Singles sind. Konkreteres wusste man nicht und glaubte, dass die Dunkelziffer wahrscheinlich höher sei. Ein erneuter Beweis für die Vielseitigkeit der Dunkelziffer:
Quelle: Berliner Zeitung
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Sollten wir nicht dankbar sein, dass es die Dunkelziffer gibt? Wäre unser Leben, das doch ohnehin gläsern genug ist, nicht grausam offen? Um zu überleben, brauchen wir die Dunkelziffer mehr denn je.
Danke, Dunkelziffer, dass es Dich gibt.
Alles sehr düster und vage mit dieser Dunkelziffer… ❤️
Stimmt. Dunkelziffern stehen (leider) nicht auf der Sonnenseite des Lebens. Sind quasi von Berufs wegen ungenau. So ist nun mal Ihre Bestimmung. Als Trostpflaster werden Dunkelziffern fürstlich entlohnt. Das hilft.