Brief an Joachim Löw und Oliver Bierhoff

Fußball

Guten Morgen Herr Bierhoff, guten Morgen Herr Löw,

gestern war ich bei meinen Enkeln (7 u. 9) in Duisburg. Der Große hatte ein Karate-Turnier. Es dauerte ca. 2 Stunden und läuft in etwa so ab: Zwei Kämpfer betreten die Matte, bezeugen durch eine angedeutete Verneigung Respekt dem Gegner gegenüber. Ein Kampfrichter bewertet das Kampfgeschehen. Punkte werden verteilt. Fouls gibt es nicht, vielleicht mal ein Schlag unter die Gürtellinie, aus Versehen.

Gummibärchen

Heulsusen wie Neymar und Konsorten sucht man hier vergebens. Videobeweis ist nicht nötig. Die Kampf- und Punktrichter haben gute Augen. Tolle Atmosphäre. Großer, kämpferischer Einsatz aller Kinder. Viele werden mit einer Urkunde, manche sogar mit einer Medaille belohnt. Alle sind stolz, auf der Matte gestanden zu haben. Applaus der Trainer, Eltern und Großeltern. Tüte Gummibärchen und Abmarsch. Ich gebe zu, dass ich den Enkeln etwas überzogen habe. Hinterher gab es nämlich noch einen Eisbecher obendrauf.

Damit sind wir bei ihrer Nationalmannschaft, Herr Löw, Herr Bierhoff. Kaum zeigt der Welttorhüter eine kleine Unsicherheit, rauscht schon der DAX um 5 Punkte in den Keller. Das sind die Dimensionen bei den Erwachsenen.

Panama

Der Auftritt der Deutschen Fußball Nationalmannschaft in Russland war doch echt blamabel. Das Ausscheiden in der Vorrunde der Weltmeisterschaft 2018 – ein absoluter Tiefpunkt. Dass Khedira, Müller & Co. ausge-schieden sind war nicht das Problem, sondern wie sie aufgetreten sind. Deutschland – das mit Abstand schlechteste Team bei der WM. Noch hinter Panama. Und Panama muss sich zu Hause noch gegen den Atlantik und Pazifik wehren. Das ist nicht so einfach!

Die Aufarbeitung hat jetzt begonnen. Sie beide decken nun schonungslos die Schwächen auf. So lautet der Auftrag. Sie, Herr Bierhoff haben eigene Fehler eingeräumt. Sogar im Fernsehen und zu bester Sendezeit. Sie, Herr Löw, sprachen von Selbstherrlichkeit des Teams. Das haben sie sich ja so richtig zu Herzen genommen, wer hätte das gedacht. Mehr Demut und Einsicht sah ich nie. Daran können sich alle anderen Mannschaften, die mit und nach uns ausgeschieden sind, ein Beispiel nehmen.

Niemand tritt zurück

Unmissverständlich wurden Konsequenzen gefordert. Wie in der Politik, wurde die volle Verantwortung übernommen. Erstes Ergebnis der Aufräumarbeiten: Niemand beim DFB tritt zurück. Das Merkelsche Rauten-Prinzip auf grünem Rasen: Wir machen weiter wie bisher und Tore schießen die anderen.

Ich bin sicher: Sie, Herr Löw und Frau Merkel treten auch bei der WM 2026 noch einmal an. Warum? Ganz einfach: Dann sind die möglichen Nachfolger zu alt (Klopp) oder immer noch zu jung (Spahn).

Wissen Sie, was mir noch aufgefallen ist? Bei einem Spiel einer anderen Mannschaft gingen die nach der Pause durch die Katakomben in Richtung Rasen. Einer trank beim Hinuntergehen aus einer Plastikflasche Wasser oder ein Elektrolytgetränk. Dann schmiss er im Weitergehen die Flasche achtlos auf die Treppenstufen. Die Frage, die ich mir stelle: Ist der ohne Elternhaus aufgewachsen?

Handballer

In meiner beruflichen Zeit habe ich oft in der Sportschule Kaiserau, Meetings durchgeführt. Mir wurde erzählt, wenn die Nationalmannschaft der Handballer zu Gast war, lief alles gut. Die haben sogar die Betten selbst gemacht. Bei den Fußballern hat man die Zimmer hinterher nicht wieder erkannt.

Japan

Dass es auch bei Fußballern anderes geht, haben die Japaner bewiesen. Nach deren Ausscheiden in Russland haben sie die Umkleidekabinen gesäubert und blitzblank verlassen. Das nennt man Respekt. In Deutschland gibt es im Profifußball Respekt nur noch als Aufkleber. Hat letztens Bayern München eindrucksvoll bewiesen. Pokalendspiel gegen Eintracht Frankfurt verloren, dem Gegner nicht gratuliert und sofort in die Kabinen verschwunden. Was für eine arrogante Haltung!

Was sollen die Kinder denken, Herr Löw, Herr Bierhoff? Sorgen Sie dafür, dass die Kinder auch in Zukunft gerne Panini-Bilder von ihren Idolen sammeln.

Wenn Sie wirklich etwas lernen wollen, fliegen sie nach Japan und machen auf dem Rückweg einen Abstecher nach Duisburg zu den Karate-Kids. Da können Sie viel lernen. Hinterher lade ich Sie zu einem Eisbecher ein.

PS: Diesen Brief habe ich an den DFB nach Frankfurt geschickt. Bis heute gibt es keine Reaktion. Wo fängt eigentlich Fan-Nähe an?

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