Unfassbar, was die Stadt sich erlaubt. Hat ein Festival genehmigt, einfach so. Natürlich wurde befürchtet, dass hier und da vereinzelt gute Laune anzutreffen sein würde. Mit ausgelassener Stimmung konnte nun wirklich niemand rechnen. Und wer bitte konnte ahnen, dass 13.000 Besucherinnen und Besucher einfach mal Spaß haben wollten. Hier in Lünen.
Prima Mucke
Und so kam es, wie es kommen musste. Gutes Wetter, prima Mucke, Party bis zum Abwinken, Stimmung kocht, aber nicht über. Friede, Freude, Eierkuchen, wirklich? Wäre da nicht der ohrenbetäubende Lärm gewesen. Tausende taumelten in ihren Wohnungen von Wand zu Wand, weil die wummernden Bässe sie aus dem Gleichgewicht warfen. In einigen Häusern, die über einen privaten Luftschutzbunker verfügen, verkroch man sich und wartete mit Ohropax auf den nächsten musikalischen Angriff. Da stellt sich natürlich die Frage, wieso hat Lünen, ohnehin von einer Dezernenten-Schwemme heimgesucht, es versäumt und nicht in einem Abwasch ein Dezibel-Dezernat eingerichtet? Das hätte vieles verhindert. Ein Brinkhoffs-Untersuchungsausschuss muss die genauen Details klären.
Überquellende E-Mail-Postfächer
Die E-Mail-Postfächer der Stadt quollen mit Beschwerden über, schon ab sechs Uhr Montagmorgens standen die Hörgeschädigten in einer langen Schlange vom Hilpert-Theater bis zum Rathaus und ließen die Verantwortlichen mit einem gellenden Pfeifkonzert wissen, wie wichtig ihnen ihre Ruhe ist. Und zwar 24 Stunden am Tag. Schätzungen zufolge, sollen es sich um zirka zwölfeinhalb Personen gehandelt haben. Unfassbar.
Tinnitus-Hochburg
Sämtliche HNO-Arztpraxen im Umkreis von 100 Kilometern waren schon vormittags voll mit Menschen, die beim Brunnenfest einen irreparablen Mix von guter Laune, und Musik erlitten. Minister Lauterbach rechnet damit, dass Lünen sich zu einer Tinnitus-Hochburg entwickeln wird, sollten keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Bölkstoff
Der Rat der Brauer beschloss vorausschauend und einstimmig, dass bei einer akuten Dehydrierung die Zapfhähne um satte 15 Minuten länger Bölkstoff ablassen durften. Und weil einige der wie aufgedrehten Duracell-Männchen und Weibchen nicht aufhören wollten zu zappeln, gab es sogar eine Viertelstunde mehr für die Feierbiester. Ist das etwa nichts?
Nachtflugverbot für Tauben
Apropos Lautstärke. Die Stadt hat alles getan, um die Brunnenfest-Verweigerer zu schützen. Sogar die Tauben bekamen Nachtflugverbot. Ab 23 Uhr wurden dreilagige Wolldecken über die Lautsprecher gehängt, Mitsingen nur erlaubt, wer eine FFP2-Maske trug. Kardiologen aus NRW standen vorsorglich bereit, um in die nahe gelegenen Wohnungen zu sprinten, falls jemand einen Herzkasper erleidet.
Brunnenfest-Container
Die Stadt nimmt, wie immer, alles sehr ernst und hat sich Gedanken gemacht, wie man das Problem in Zukunft lösen könnte. Erste Vorschläge wurden vom neu eingerichteten Brunnenfest-Ausschuss erarbeitet und an Karl Lauterbach weitergeleitet. Am interessantesten könnte diese Idee sein:
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Die Stadt legt, nicht zuletzt aus Kostengründen, alle großen Events auf ein Wochenende. Das Brunnenfest, die Lünsche Mess, Tanz in den Juli und das Oktoberfest in Lünen-Süd. Marktplatz, Pfarrer-Bremer-Platz und Theater-Platz eignen sich bestens. Auf Wunsch werden die Spaßbremsen aus der Innenstadt evakuiert und für 48 Stunden in schalldichte Brunnenfest-Container vor den Toren der Stadt umgesiedelt.
Prima!
Sehr gut!
Aber die Ewig-Nörgler werden diesen bösen Text nicht lesen … oder sich gar nicht angesprochen fühlen, weil sie jetzt tagelang ihre Nach(t)ruhe nachholen.
Barbara Höpping