Wer blendend weiße Zähne hat, ist erfolgreich, gesund und schön. Das suggeriert uns die Werbung. Was wir beim Putzen ausblenden ist, dass Zahnpasta sehr häufig Titandioxid enthält. Das hört sich schon beim Aussprechen krankmachend an. Dieser chemische Alleskönner ist ein weißes Farbpigment, das weißeste überhaupt. Quasi der Weiße Riese unter den Farbaufhellern. In Farben, Lacken, Papier und Kunststoffen entdeckt man ihn sowieso.
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Auf die Kürzel „CI 77891“ und „E171“ achten
Titandioxid war seit Jahrzehnten auch als Lebensmittelzusatzstoff (E171) zugelassen. Backwaren, Suppen Süßigkeiten wie Marshmallows, Schokolinsen, Keksen, Kaugummi, verschiedene Fertiggerichte oder in weißen Käsesorten wie z. B. Mozzarella. Vieles wurde mit dem Aufheller, dem Lebensmittelzusatzstoff „E171“, angereichert.
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Diesen hübschen Schadstoff fand die Stiftung Warentest auch in ihren 17 getesteten Lippenstiften. Man erkennt ihn am Code „CI 77891“ oder durch den Zusatz „Titanium Dioxide“.
Fünf Millionen Tonnen Weißmacher
Ein Riesenmarkt. Bis zu fünf Millionen Tonnen werden jährlich produziert und in allen möglichen Produkten verwurstet. Die Wissenschaftler der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) haben herausgefunden, dass Titandioxid möglicherweise genotoxisch wirkt, also Änderungen im genetischen Material von Zellen auslösen kann und eventuell das Erbgut schädigen könnte und sogar die Entstehung von Krebs begünstigt.
Mozzarella mit Grauschleier?
Die EU-Kommission hat (endlich) reagiert und verbietet Titandioxid. Ab Sommer 2022 darf der Weißmacher in Lebensmitteln nicht mehr untergerührt werden. Das heißt, ab Juni/Juli sieht der glänzend weiße Mozzarella vermutlich etwas fahl aus. Zahnpasta und Kosmetika sind von diesem Verbot ausgenommen. Da bleibt der Farbstoff weiterhin erlaubt. Das ist kein Witz! Unsere EU-Kommission. Echt Unglaublich!
Chemie-Lobby
Warum ist das so? Der größte Lobbyist des seit Anfang 2022 neuen Lobbyregisters auf Bundesebene ist die Interessenvertretung der Chemie-Industrie (VCI). Deren Ausgaben beliefen sich 2021 auf satte 8,2 Millionen Euro. Damit beschäftigt man 80–90 Mitarbeitende im Bereich der Interessenvertretung.
Quelle: LobbyControl e.V.
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Dass nun soviel Titandioxid-Tonnage wegfällt, ist total unfair, findet die Chemie-Industrie. Das findet auch die EU-Kommission. Und so bleibt der Weißmacher in den meisten Zahncremes bis auf weiteres erhalten. Ob Titandioxid tatsächlich Krebs verursacht, ist schlussendlich noch nicht bewiesen.
Die Lobby-Expertin Vicky Cann sagt dazu:
Die Titandioxid-Lobby in Brüssel ist sehr groß, sehr stark. Sie haben Millionen investiert. Wir wissen, dass sie die größte PR-Agentur in Brüssel engagiert haben, um ihnen zu helfen. Wir wissen, dass sie sich aktiv an Schlüsselpersonen und an die Abgeordneten der Mitgliedsstaaten in Brüssel wenden.
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Die gute Nachricht: Es gibt einige Zahncremes, die auf Weißmacher verzichten, zum Beispiel:
Zahncremes ohne Titandioxid
- Lavera Zahncreme Complete Care
- Urtekram Minze Zahnpasta Bio
- Aminomed Medizinische Kamillenblüten-Zahncreme
Lippenstifte ohne Titandioxid?
Europäische Hersteller, die die auf Titandioxid in Lippenstiften verzichten, gibt es offenbar nicht. Der amerikanische Hersteller 100 % Pure (mit einer Niederlassung in Deutschland) verzichtet auf diese Substanz. Fruit Pigmented® Cocoa Butter Matte Lipstick. Gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Das Werbeversprechen lautet:
Unsere Cocoa Butter Matte Lipsticks sind matte, deckende & lang anhaltende Lippenstifte. Unsere innovative, rein pflanzliche Formel lässt Ihre Lippen stets prall, hydriert und samtig aussehen, ohne dabei auszutrocknen. Mit gesunden Fruchtpigmenten und pflegenden Komponenten aus Kakaobutter, Sheabutter und Vitamin E werden Ihre Lippen nicht nur optimal gepflegt, sondern dank dieser wunderschönen, schmeichelnden Trendfarbe ideal in Szene gesetzt.
https://www.100percentpure.de/
Oder machen wir als überkultivierte Industrienation zuviel Gewese und sollten lieber ein afrikanisches Sprichwort beherzigen:
Super informativ, danke dafür!! Fehlt jetzt die Verlinkung zu Twitter. Das müssen doch viele wissen! LG aus der Puddingstadt
Vielen Dank für den Kommentar. Leider hat (auch) Dr. Oetker sehr lange gebraucht, aus seinen relevanten Produkten Titandioxid zu verbannen. Nachdem Oetker von foodwatch kritisiert wurde, stellte man für die infrage kommenden Produkte in Deutschland die Produktion um. Für Oesterreich galt das zunächst nicht. Erst mit der neuen EU-Verordnung ist Dr. Oetker auch in der Alpenrepublik ab 2022 gezwungen, auf den chemischen Aufheller zu verzichten
Da bekommt der von Dr. Oetker geprägte Begriff der “Versuchsküche” eine ganz neue Bedeutung.