In frühester Jugend wurden mir Hohl,- Spreiz- und Senkfüße attestiert. Das sei angeboren, meinte mein Hausarzt. Kürzlich ist ein weiterer Fuß hinzugekommen, der Kohlenstoffdioxid-Fuß. Diese Fehlstellung wurde mir nicht in die Wiege gelegt und kann behoben werden, höre ich von allen Seiten.
CO₂-Rechner
Es wurden mehrere CO₂-Rechner konsultiert und der Fußabdruck getestet. Um es kurz zu machen: Mein persönlicher CO₂-Ausstoß liegt bei 12,52 Tonnen. Damit bin ich Durchschnitt in Deutschland. Weltweit hat 2018 jeder 7,41 Tonnen CO₂ erzeugt. Wenn die gesamte Weltbevölkerung so weitermacht wie Deutschland und damit auch ich als der Dreiundachtzigmillionste Teil, bräuchten wir 3,24 Planeten.
https://www.wwf.de/themen-projekte/klima-energie/wwf-klimarechner/
Vom Mischköstling zum Veganer
Das reduzieren von CO₂ ist relativ einfach. Grob zusammengefasst: Ich brauche nur auf Kreuzfahrten verzichten, von Düsseldorf bis Frankfurt mit dem Fahrrad fahren und alle zwanzig Jahre eine Fernreise mit dem Flugzeug nach Bora-Bora unternehmen. Dort solle ich möglichst lange verweilen. Hilfreich sei zudem, wenn ich vom Mischköstling zum Veganer mutierte. Der Umzug in eine kleinere Wohnung wird ebenfalls angeraten, reißt jedoch ein Loch in die Haushaltskasse, was ich aber mit weniger Freizeitaktivitäten locker kompensieren kann. Die Rechner-Intelligenzbestie hat nämlich ermittelt, dass ich in der Freizeit mehr auf Qualität als auf Quantität achten möge und möglichst nicht mehr als 110 Euro monatlich ausgeben solle. Damit hätte ich schon wieder eine Tonne CO₂ eingespart.
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Man hat für mich Tipps zusammengestellt. Ich fahre offensichtlich zuviel Auto, obwohl ich extrem Sprit sparend fahre. Auf Autobahnen achte ich nur darauf, dass mich nicht auch noch LKWs überholen, so langsam zuckele ich daher. Ich solle meine Fahrleistung um 15.000 auf 2.000 Km reduzieren und mehr mit Bussen und Bahnen fahren. Das würde meine Bilanz um 4 Tonnen verringern. Noch besser sei es, auf E-Auto umzusteigen. Macht Minus 1,5 Tonnen.
Sozialer Fußabdruck
Zu meiner Entlastung möchte ich anführen, dass wegen Seekrankheit Kreuzfahrten für mich ohnehin tabu sind. Könnte ich dafür nicht 3.000 Kilometer mehr mit dem Auto fahren? 2.000 Kilometer pro Jahr brauche ich schon, um zum Friseur zu kommen. Der wohnt leider etwas außerhalb. Allerdings verbinde ich das mit Besuchen bei Freunden. Müsste man nicht einen sozialen Fußabdruck einführen? Wer 3–7 Freunde regelmäßig kontaktiert, dem werden 2 Tonnen CO₂ erlassen.
Welchen CO₂-Wert hat kulturelle Bildung?
Angeblich soll der Verzicht auf Kultur, Zeitschriften, Kino und Konzerte bei mir mit einer Tonne im Jahr zu Buche schlagen. Da stellt sich mir eigentlich nur eine Frage: Wer ist hier unterzuckert? Der Rechner, oder der ihn gefüttert hat? Hat kulturelle Bildung nicht auch einen Wert? Hiermit fordere ich die Einführung eines kulturellen Bildungs-CO₂-Rechners.
Lieber ins Gefängnis
Morgens trinke ich zwei große Tassen schwarzen Tee mit Milch und Honig. Als Brotbelag ist Käse gesetzt. Wurst und Fleisch esse ich sowieso kaum noch. Weniger Käse geht einfach nicht – ich liebe Käse. Veganer werde ich in diesem Leben nicht mehr, eher ziehe ich ins Gefängnis.
Kohlendioxidarme Schlaumeier
Oder soll ich mir nächstes Jahr einen Zopf wachsen lassen, Hagebuttentee trinken, in einer zwölf Quadratmeter Mansarde hocken und Dschungelcamp gucken? Wollt ihr das? Und übrigens, ihr kohlendioxidarmen Schlaumeier: Bis 2050 soll Deutschland keine schädlichen Treibhausgase mehr ausstoßen. Da bin ich ja mal gespannt. Dieses Ziel erreiche ich mit Sicherheit. Dann bin ich Hundert, verzichte freiwillig aufs Auto und fliege auch nicht mehr in die Südsee – versprochen!
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