Ich habe einen guten Freund. Er heißt Horst. Für Ihn ist das nichts Besonderes. Den Erzählungen seiner Eltern nach war es der Wunsch der Mutter, den Neugeborenen auf den Namen Horst zu taufen. Sein Vater favorisierte Heinz als Vornamen. Den fand die Mutter in der damaligen Zeit ziemlich altmodisch. Sie konnten sich nicht einigen. Am Tag der Namenseintragung in die Geburtsurkunde hatte sein Vater morgens noch im Keller zu tun. Mutter nutzte die Gunst der Stunde und radelte zum Einwohnermeldeamt. Einen zweiten Vornamen hat er auch: Günter. Horst’s Stellvertreter. Falls der Erstvorname mal verhindert ist. Mit Günter sei er nie so richtig warm geworden, sagt Horst. Wofür er den brauche, ist ihm schleierhaft. Ohne Günter kommt er eigentlich sehr gut zurecht. Auch an Wochenenden und im Urlaub. Horst reicht ihm völlig.
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1934
Bis Anfang der 60er Jahre wurden Rufnamen im Ausweis unterstrichen. In der DDR noch bis zur Wende. Da wusste man auf Anhieb Bescheid. Heute stehen alle Vornamen, ohne Unterstrich, gleichberechtigt nebeneinander. Der Vorname Horst hatte seine Blütezeit in den Dreißiger Jahren. Im Geburtsjahrgang 1934 war Horst der häufigste Jungenname. Platz eins. Seit 1970 werden Neugeborene kaum noch Horst genannt. Ein Vorname verschwindet innerhalb eines halben Jahrhunderts in der Versenkung. Ein Unding.
Horst Hrubesch
Einen kleinen, kaum messbaren Aufschwung für den Vornamen Horst, dessen Bedeutung sich aus dem Niederdeutschen für Wald, Gehölz und Gebüsch ableitet, gab es 1980. Deutschland wurde in Italien Fußball Europameister. Im Endspiel wurde Belgien 2:1 besiegt. Beide Tore schoss Horst Hrubesch. Um ein Haar wäre auch dieser Vornamens-Aufschwung verpufft, denn Horst Hrubesch wurde nur nachnominiert, weil Klaus Fischer verletzt war. Man soll sich ja nicht auf seinem Vornamen ausruhen und die anderen vorschicken. Deshalb wollte Horst 1987 den Berlin-Marathon gewinnen. Er wollte Horst Hrubesch nacheifern, nur im Laufen. Im Traum sah er schon die Schlagzeile: Horst gewinnt Berlin-Marathon. Doch es kam anders. Trotz kluger Renneinteilung und fulminanten Schlussspurt kam er nur als 11.314 ins Ziel. Das Medieninteresse war ziemlich gering, dabei hatte Horst, so seine Erzählung, auf der Zielgeraden noch locker eine Dreiundsiebzigjährige überholt.
Horst Schimanski
Die Voraussetzungen, dass Horst heutzutage einen Spitzenplatz im Vornamenranking zurückerobert, sind megaschlecht. Die Namensforschung verbindet mit Horst eher die Eigenschaften ziemlich alt, unmodisch, nicht wohlklingend. Als Kumpel gebe ich es nur ungern zu, aber da ist was dran. Zu seiner Ehrenrettung soll nicht unerwähnt bleiben, dass man als Horst sehr wohl über ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden verfügt und gesellig ist. Diese Eigenschaften vereinte schon Tatort-Kommissar Horst Schimanski vorzüglich.
2022 – Nala und Elias
Exotische Vornamen sind auf dem Vormarsch. Die häufigsten Mädchennamen lauten: Nala, Emilia und Emma. Die aktuelle Hitliste der Top-Jungennamen 2022 wird von Elias angeführt, gefolgt von Liam und Levi. Ich prophezeie, dass Liam 2050 einen Marathon laufen wird, um seinen aussterbenden Vornamen zu retten. Oder wir halten es einfach wie in Goethes Faust: Gefühl ist alles – Namen sind Schall und Rauch.
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