Eine Mailbox macht noch keinen Sommer

Bei mir hielten die Neuen Medien 1993 Einzug. Das Zeitalter der Schreibmaschine wurde abrupt beendet, ohne Vorwarnung. Meine Firma stattete mich mit Computer und Drucker aus. Es gelang mir auf Anhieb, Rechner mit Drucker zu verbinden und das neuzeitliche Ensemble anzuschalten. Den Drucker hatte ich mit dreihundert Blatt weißem Papier bestückt. Mehr passte nicht rein.

 

Lang Lang

Obwohl ich neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen bin, spürte ich doch anfänglich einen gewissen Respekt den neuen Arbeitsgeräten gegenüber. Schnell erinnerte ich mich daran, dass man die besten Resultate erzielt, wenn man sich unvoreingenommen und spielerisch den Dingen widmet. Der Bildschirm war schwarz, immerhin blinkte etwas, der Drucker stand gelangweilt daneben. So ließ ich meine Finger wie bei Lang Lang über die Tastatur fliegen. Sinnstiftende Texte hatte ich mir für später aufgehoben. Nach gefühlt zwei bis drei Minuten hielt ich inne. Der Bildschirm war immer noch schwarz. Dann meldete sich der Drucker zu Wort. Er hatte den Startblock verlassen und fing an zu drucken. Warum überhaupt und was eigentlich? Hatte ich ihm einen Auftrag erteilt?

Lass doch dem Drucker seinen Lauf

Und weil man sich bei so vielen Dingen im Leben, die das erste Mal passieren, immer erinnert, kriege ich bis heute meine erste Druckerfahrung nicht mehr aus dem Kopf. Ich sah, wie der Drucker bedächtig, aber sorgsam Blatt für Blatt ausspieh. An der rechten Papierseite hatte ich einen vier Zentimeter breiten, grauen Streifen erzeugt. Von oben bis unten. Leider gelang es mir nicht, den Drucker anzuhalten, oder auszustellen.  Manchmal soll man den Dingen ja auch seinen Lauf lassen. Ich tat etwas sinnvolles und ging einkaufen. Als ich nach zwei Stunden zurückkam, war auch mein Drucker fertig. Dreihundert Blatt weißes Papier mit einem vier cm grauen Streifen rechts. Dies geschah in einer Zeit, in der ich meinen ökologischen Fußabdruck noch nicht mit dem Kauf einer Kiste Bier reduzieren konnte.

Hier Manfred Mustermann. Bitte hinterlassen Sie Ihre
Namen und Telefonnummer. Ich rufe zurück.

Das waren die Anfänge. Dann kamen Handys dazu. Die ersten Generationen waren relativ einfach zu bedienen, auch die Mailbox. Sie konnte besprochen werden. Genutzt wurde sie vom Freundeskreis (selten) und Kunden (ständig), die immer sofort zurückgerufen werden mussten. Irgendwann fristeten die Mailboxen dieser Welt in meiner Wahrnehmung ein kümmerliches Dasein.

Test….Test….Test

Gefühlt fünfhundert Handy-Generationen später, brauche ich diese Funktion wieder. Warum? Ab und zu übernehme ich ein Ehrenamt. Dieses Mal bin ich für Deutschland unterwegs. Ich bin Geheimnisträger, deshalb darf ich keine Einzelheiten verraten. Nur soviel: Meine Kunden sollten Gelegenheit haben, mich zurückzurufen, falls erforderlich. Natürlich verfügt mein Handy über eine Mailboxfunktion. Die Mailbox mit einem kurzen Begrüßungstext zu besprechen, gelang ohne Probleme. Es war aber nicht möglich, als Anrufer eine Nachricht zu hinterlassen. Nur bei ausgeschaltetem Handy funktionierte es. Warum soll ich mich ärgern, wenn es von Handyläden mit entsprechendem Fachpersonal in Lünen nur so wimmelt? Um es kurz zu machen: Von vier aufgesuchten Handyläden meinten drei Servicemitarbeiter, ihr Techniker käme entweder erst nachmittags, oder hätte leider frei. Der vierte schien mir total kompetent, da ich meine Festnetz-Telefonie auch dort habe. Bedauerlicherweise habe ich mich vor 15 Monaten für einen separaten und günstigeren Handyanbieter entschlossen. Deshalb tat es Vodafone auch echt leid, mir nicht weiterhelfen zu können. Wie konnte ich auch nur zu einem günstigen Anbieter wechseln?!

Code: 22+XX1528835gj&5**QRR+##1

Meinem Handy-Anbieter schilderte ich das Problem. Die Dame hörte mir geduldig zu und hatte ziemlich schnell die Lösung: „Warten Sie einen Augenblick, ich bin gleich wieder bei Ihnen.“ Nach nicht einmal 30 Sekunden teilte Sie mir einen 25-stelligen Code aus Ziffern, Buchstaben und Sonderzeichen mit. „Geben Sie das über Ihre Tastatur ein, und das Problem ist behoben. Nachdem ich den 25-stelligen Rattenschwanz eingegeben hatte, erneuter Test. Wieder nichts. Nochmaliger Anruf. Diesmal eine andere Service-Mitarbeiterin. Problem nochmals erläutert. Sie meinte, dass sie den Mailbox-Code überprüfen würde. Nach einer Minute Wartezeit meldete Sie sich zurück mit der Auskunft, dass das überhaupt kein Mailbox-Code gewesen sein konnte. Da war ich echt froh, dass wir nun endlich kurz vor der Lösung des Problems standen.

Maria hilft

*Maria sagte: Gehen Sie in Ihrer Handy-Servicewelt auf den Button „Hilfe & Kontakt“, klicken dann auf „Mailbox“ und es öffnet sich ein Fenster. Gesagt, getan. Da finden Sie wirklich alle Möglichkeiten rund um die Mailbox. Und was soll ich sagen? Maria hat recht. Codenummern, soweit das Auge reicht. Für „besetzt“, „nicht erreichbar“, nach 5 Sekunden klingeln“, „nach 15 Sekunden klingeln“, „absolute Umleitungen“, „alle Umleitungen löschen“, es wird erklärt, dass meine Mailbox ein kommunikatives Multitalent ist und ich mit meinem Endgerät in allen Lebenslagen davon profitieren könne. Über alles werde ich persönlich, individuell und automatisch informiert.
* Name von der Redaktion geändert.

Nach 5 Sekunden klingeln

Bei Maria bedankte ich mich für die professionelle Mailbox-Schulung. Ich entschied mich für den Mailbox-Code „nach 5 Sekunden klingeln“. Nun noch eine allerletzte Funktionsüberprüfung. Ihr ahnt es bereits: Die Mailbox sprang auch diesmal nicht an. Jetzt kann ich es auch nicht mehr ändern. Muss das Ehrenamt eben ohne Mailbox auskommen. Manchmal muss man auch loslassen können. Ich lasse mich doch von dieser bescheuerten Mailbox nicht meschugge machen.

Sabbatical

Zu meiner persönlichen Entlastung habe ich jetzt beim Bundesverband für enttäuschte Handynutzer ein Sabbatical beantragt. Im Kreise von Mailbox-Abnutzungsexperten und Smartphone-Forschern werde ich ein Jahr lang lernen, wie schön das Leben ohne Mailbox sein kann. Danach übernehme ich wieder ein Ehrenamt.

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