Nichts wie weg

Seit über einem Jahr gehe ich ins Bett und denke an Karl Lauterbach, Jens Spahn, Markus Lanz, Christian Drosten, Melanie Brinkmann, an Inzidenzien, das Robert-Koch-Institut, Angela Merkel, an Europa und an Brückenlockdown. Und mit wem wache ich auf? Markus Söder, Armin Laschet, Notbremsen, Schnelltests, Ausgangssperren, Gesundheitsämtern, Click & Collect, Mutanten aus Brasilien, Großbritannien und Südafrika. Jetzt ist Prinz Phillip auch noch gestorben.

 

W.I.R.S.C.H.A.F.F.E.N.D.I.C.H.

Früher lief alles relativ geordnet ab. Meine Gedanken kreisten maximal um fällige Inspektionen des Autos, Vorauszahlungen ans Finanzamt, dem aktuellen Kinoprogramm, dem Einhalten von Höchstgeschwindigkeiten auf der Autobahn, einer neuen Hose und an den nächsten Restaurant-Besuch. Aus und vorbei.

Längst haben finstere Mächte die Herrschaft über mein Gehirn übernommen. Es muss eine neue Merkel-Mutante im Umlauf sein, anders kann ich es mir nicht erklären. Einen Namen gibt es schon: W.I.R.S.C.H.A.F.F.E.N.D.I.C.H. Ein Impfstoff ist noch in der Erprobung.

AmTaUm

Wo ist meine alte Welt geblieben, Freunde? Abgesoffen auch ohne Überschwemmung! Konsumismus kenne ich nur noch vom Hörensagen. Ging ich früher gerne ins KaDeWe zum Shoppen, schleppe ich mich heute krampfhaft durchs Internet. Die neue Kaufhausgeneration heißt AmTaUm = Amazon tauscht alles um.

Tschüss Europa

Ich spüre plötzlich eine große Sehnsucht nach tiefster Tiefenentspannung. Raus aus meiner Stadt, weg aus Deutschland, tschüss Europa. Keine Nachrichten mehr hören, kein Fernsehen. Kein Handy. Wenigstens ein paar Monate. Einfach nur für mich sein. Dabei müsste ich längst tiefenentspannt sein. Kein Freizeitstress mehr. Konzerte, Kneipe, Restaurant, Café, alles Schnee von gestern. Ich will nicht mehr mit dem ganzen Driss einschlafen und wieder aufwachen.

Sobald ich durchgeimpft bin, hält mich nichts mehr. Möglichst weit weg. Nach langem Suchen im Netz bin ich fündig geworden.

Tristan da Cunha

Tristan da Cunha im Südatlantik gilt als der entlegenste bewohnte Ort der Welt. Die im Durchmesser zehn Kilometer große Insel liegt zwischen Südafrika und Südamerika. Gehört zum britischen Überseegebiet. Tristan hat einen Vulkan und seltene Wildtiere. 243 britische Bürger leben hier. Schon die Anreise lässt mein Herz höher schlagen. Flug bis Kapstadt, die Schiffspassage von Kapstadt nach Tristan (2.800 Kilometer) dauert fünf bis zehn Tage. Traumstände gibt es nicht, keine Hotels, dafür viel Regen und Stürme. Genau das Richtige für mich.

Gästehaus Fair View

Auf der Webseite der Insel habe ich mich erkundigt. Das Gästehaus Fair View von Robin und Dawn Repetto sagt mir zu. Sonnige, offene Küche mit Meerblick. Nach dem Aufstehen sitze ich in der Küche und trinke meinen Tee. Nichts passiert – wunderbar! Man gibt mir zu essen und zu trinken. Das reicht. Vielleicht sehe ich mal einen der sehr seltenen Northern Rockhopper Penguine.

Ansonsten denke ich nach. Worüber? Keine Ahnung. Woher soll ich wissen, was in meinem Kopf geradeso ansteht! Aus Erfahrung weiß ich, dass mein Gehirn so einiges auf Lager hat.

Touristen, wenn sich überhaupt welche auf den Weg machen, wird empfohlen, das Post-Office mit seinen atemberaubenden Inselbriefmarken zu besuchen. Vor einem Monat musste das Dach erneuert werden. Alle Mitarbeiter fingen früh an. Es war ein sonniger Tag, die Männer arbeiteten extrem hart. Schon mittags um 13:00 Uhr war das neue Dach fertig. Danach genossen die Männer ihre Erfrischungen und entspannten sich.

Lebenslange Mitgliedschaft

Meine Trauminsel hat einen Golfplatz. Der Hottentott Fence Tristan da Cunha Golf Course ist eigentlich eine Weide für Nutztiere und verfügt über kein Grün. Oft ist es stürmisch und so driften Schläge schon mal gerne ab direkt ins Meer. Der Platz hat nur ein einziges Wasserhindernis und das heißt Atlantik. Als Golfballtaucher wäre man auf Tristan gut beschäftigt. Hier liegen überall Vulkanblöcke herum. Für zwanzig britische Pfund wird man mit Polo-Shirt und Kappe eingekleidet. Und man erhält eine lebenslange Mitgliedschaft.

Hottentott-Shelter

Sogar einen Pub gibt es, die Albatross Bar. Im Reiseführer lese ich, dass Sarah selbstgebrautes Bier zapft. Ein Grund mehr, Tristan meine Aufwartung zu machen. Eine Bushaltestelle, sie heißt „Hottentott-Shelter“ gibt es auch. Ein Bus fährt allerdings nicht. Vielleicht ist die Bushaltestelle die Installation eines unbekannten Tristaner Künstlers, wer weiß? Als Tourist muss ich mich vor Antritt der Reise per E-Mail an den Administrator, der gleichzeitig Präsident des Inselrates ist, wenden. Reisezeit, persönliche Angaben und evtl. polizeiliches Führungszeugnis. Ordnung muss sein.

Glass, Swain, Green, Rogers, Hagan, Lavarello und Repetto

Alle 243 Bewohner leben in der Hauptstadt Edingburgh of the Seven Seas. Es gibt nur sieben Familiennamen auf der Insel: Glass, Swain, Green, Rogers, Hagan, Lavarello und Repetto, die allesamt von damaligen Zuwandern abstammen.

Tristan Rock Lobster

An manchen Tagen kann auch die Fischfabrik besichtigt werden, wo der berühmte Tristan Rock Lobster verarbeitet wird, ein Hummer, der nur in den dortigen Gewässern vorkommt. Und wenn ich ganz viel Glück habe, dann gibt es in Tristan da Cunhas Fischfabrik vielleicht sogar Bratrollmops – ich liebe Bratrollmops.

Quellen: travelbook.de; tristandc.com

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